Samstag, 19. Januar 2013

Erziehung zur Unmündigkeit

"Die Kinderarbeit schafft sich selbst ab. Denn durch Kinderarbeit entwickelt sich die Wirtschaft. Und wenn die Wirtschaft wächst, steht mehr Geld zu Verfügung, um bessere Löhne zu zahlen, so dass keine Kinder mehr arbeiten müssen." So ungefähr argumentieren die jungen BWL-Studenten, mit denen ich Bekanntschaft machen dürfte. Der Grundtenor ist der eines "Es ist traurig, aber ...". In diesem "aber" steckt die ganze Perfidie, denn auf ihm liegt das Schwergewicht der Argumentation, nicht auf der vermeintlichen Trauer. Wie gesagt, es sind sehr junge Menschen, die so argumentieren, und sich wohl darin gefallen, ihren gerade erst erwachten Verstand auf die verschiedensten Bereiche auszudehnen. Wer auf neoliberal macht, widerspricht dem Zeitgeist. "Es ist schon theoretisch nicht möglich, alle Menschen auf der Welt zu ernähren." Und was folgt aus dieser "traurigen" Feststellung? Überlegungen darüber, was dennoch getan werden könnte, habe ich keine gehört. So jung - und schon so resigniert? Mir scheint, dass der tägliche Verkehr mit globalen Thematiken allzu leicht abstumpft und verdummen kann, besonders dann, wenn es um wirtschaftliche Themen geht. Die Wirtschaft, die Politik, die Griechen, die Bayern - ein einziges großes Sich-wichtig-Nehmen, immerhin schwadroniert man ja über wichtige Themen.

Sie haben mir auch von ihrem Studium erzählt. Von Dozenten, die Studenten wie kleine Kinder vor die Tür werfen, weil sie nicht der Vorlesung folgen, von Multiple-Choice-Klausuren, die maschinell kontrolliert werden, vom Bestreben der Verantwortlichen, möglichst viele Studenten auszusieben, um die gewünschte Durchfallquote zu erzielen, davon, dass ein BWL-Student nicht ein einziges Seminar besuchen kann, er also schon institutionell nicht die Möglichkeit bekommt, einmal etwas Eigenes zu äußern. Diese Studenten fühlen sich unglaublich unter Druck gesetzt. Sie sind sehr unzufrieden mit ihrem Studium. Aber sie wollen eben etwas studieren, "womit man etwas anfangen kann", um jeden Preis. Und sie bezahlen diesen Preis. Ich habe kein einziges kritisches Wort gehört. Das überrascht mich nicht. Das BWL-Studium scheint eine Erziehung zur Unmündigkeit zu sein.

1 Kommentar:

  1. Auf der einen Seite die staatlich gewollte, dumpf konsumierende, denkarme Unterschichtwolke, auf der anderen Seite die entmündigten Fachidioten. Also, die Zukunft unserer Wirtschaft scheint global gesichert. Man sollte auf diese widerborstigen Sicherheitsrisiken achten, die immer noch meinen, unbedingt selber denken müssen.

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