Dienstag, 23. Oktober 2012

Präge die Münzen um!

Diogenes von Sinope im Gespräch mit einer Hetäre

Jenes Orakel von Delphi, das Sokrates einen narzisstischen Bärendienst erwiesen hatte, indem es ihn zum weisesten aller Menschen erklärte, sollte auch für einen anderen, mir näher verwandten Geist eine Botschaft bereit halten. So riet es dem Kyniker Diogenes, die Münzen umzuprägen. Münzen umprägen? Ich muss zugeben, dass es mir schwerfällt, in diesem Rat nicht sofort eine Metapher herauszulesen, wohl auch deshalb, weil es noch einen anderen Denker gibt, bei dem das Motiv der Umprägung eine zentrale Rolle spielt.

Nietzsche wird jene Anekdote gekannt haben. Die Darstellung des Diogenes Laertius über das Leben berühmter Philosophen, die sie überliefert, hat ihn sehr interessiert und beeinflusst. Er selbst sollte bekanntlich nicht von Umprägung, sondern von Umwertung sprechen, genauer: von der "Umwerthung aller Werthe". Auch bei ihm spielt, ähnlich wie bei Diogenes, "der Skandal der Wahrheit" (Foucault) eine große Rolle; er will schockieren, will den Menschen zeigen, dass die im Umlauf befindlichen Werte längst abgegriffen und abgeliebt sind. Zu seinem Pathos gehört natürlich, dass er der Einzige ist, der das erkennt.

Aber Nietzsche war nicht radikal genug. Wer Münzen und Werte umzuprägen gedenkt, bleibt ganz diesseits von Gut und Böse; er wechselt lediglich die Vorzeichen aus.

The irony of posthumous life! Man achte auf die elitär niedrige Auflage von 500 Stück ;)

1 Kommentar:

  1. Kein Wunder, dass alle Menschen heutzutage so schwach sind -- denn sie glauben, alles besitzen zu müssen: Einfamilienhäuser, Landbesitz, Fernseher, Autos, Religion, Haustiere, Partei, etc. ("Religionszugehörigkeit besitzen").

    Aber ein starker Mensch ("Kyniker") braucht dies nicht (nicht mal Religion!).

    Aber leider sind alle starken Menschen (inkl. Diogenes) schon längst tot, nur noch Schwächlinge überall...

    Jeder Besitz -- inkl. Hundebesitz -- ist letztlich ein Zeichen von Schwäche...

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