Sonntag, 5. Mai 2013

Nichts mitbekommen (Dialog)

Sophia: Nichts ist wahrhaft wert, sich darüber aufzuregen. Nichts.

Emil: Ich finde, das ist eine Haltung, die an Zynismus nicht mehr zu überbieten ist. Schau dir die Welt doch einmal an! Wer sich über dieses sinnlose Leid nicht aufregen kann, in dem schlägt nicht das Herz eines Menschen!

Sophia: Dass ich mich nicht aufrege, heißt nicht, dass mir die Welt egal wäre. Im Gegenteil. Du vermischst da zwei ganz verschiedene Dinge.

Emil: Wenn du immer ruhig bleibst, kannst du nicht die Wut entwickeln, die notwendig ist, um etwas zu verändern. Dir fehlt dann einfach die Power.

Sophia: Diese Wut ist nicht notwendig. Nicht die Wut ist das Entscheidende, sondern die Einsicht. Wenn ich ein Problem verstehe, kann ich es lösen. Dazu brauche ich nicht wütend zu sein.

Emil: Mir sind Menschen unheimlich, die sich durch nichts aus der Fassung bringen lassen.

Sophia: Denkst du, dass ich all diese Dinge spurlos an mir vorübergehen lasse? Ich setzte mich sehr intensiv mit ihnen auseinander, rede mit anderen darüber. Wichtig ist mir dabei eine Gesprächssituation, die von Mitgefühl und Offenheit geprägt ist. Wenn sich jemand gehen lässt und rumzustänkern anfängt, dann weisen wir ihn sofort zurecht. Bei sensiblen Themen ist es besonders wichtig, dass keiner austickt.

Emil: Also wer eine eigenen Kopf hat und klar zu seiner Meinung steht, wird ausgegrenzt? Zurechtgewiesen? Wo lebt ihr denn, dass ihr so etwas nötig habt?

Sophia: Diese Zurechtweisungen sind gerade dazu da, damit alle Meinungen auf eine würdige Weise zur Sprache kommen können. Je sensibler das Thema, desto sorgsamer müssen wir miteinander umgehen. Und wirklich versuchen, den anderen zu verstehen. Das ist das Wichtigste. Wenn jemand anfängt rumzubrüllen und wir das zulassen, ist das Gespräch verloren. Es wird ein gewisses niedriges Niveau nie überschreiten. Und welche Menschen profitieren davon? Die dummen, die lauten, die oberflächlichen.

Emil: Ich denke, es ist okay, hin und wieder auch auf die Pauke zu hauen. Gerade die Spannungen geben dem Leben doch seine Würze.

Sophia: Du verstehst mich nicht. Wir haben auch Spannungen, aber wir gehen eben anders mit ihnen um.

Emil: Du hast nie gelernt, dich zu wehren, dich durchzusetzen. Weil du keine Autorität hast, versuchst du alles in Wohlgefallen aufzulösen.

Sophia: Lange dachte ich, es sei wichtig, die Ellenbogen richtig einzusetzen. Heute weiß ich, dass ich das gar nicht muss. Wenn ich sage, was ich denke, spürt das jeder. Dann "verwandle" ich mich ganz unausweichlich in so etwas wie eine Autorität.

Emil: Davon habe ich bisher nichts mitbekommen.

3 Kommentare:

  1. Tja, Emil, wieder mal 'autoritär' mit 'Autorität' verwechselt?! Wirkliche Autorität ist leise und achtsam, weil sie es nicht nötig hat, laut und rüpelig zu sein.

    Ein toller Dialog!

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  2. Wenn du immer ruhig bleibst, kannst du nicht die Wut entwickeln, die notwendig ist, um etwas zu verändern. Dir fehlt dann einfach die Power. - Genau nach diesem Motto leben so viele "Protestbewegungen" und verlieren sich dabei in unnötigen Grabenkämpfen, weil sie nicht in der Lage sind, sich mit rationalen Argumenten Gehör zu verschaffen.

    Nicht die Wut ist das Entscheidende, sondern die Einsicht. - Und diesen Satz sollten sich all diese Menschen merken. Denn nur Einsicht ermöglicht eine echte Problemlösung, alles andere verschiebt oder verdrängt nur das eigentliche Problem.

    Wieder einmal ein genialer Post!

    Viele Grüße,
    Pearl

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