Montag, 11. Februar 2013

Grobmaschiges

Tiefdenkende Menschen kommen sich im Verkehr mit anderen als Komödianten vor, weil sie sich da, um verstanden zu werden, immer erst eine Oberfläche anheucheln müssen. (Nietzsche)

Damit zwei Menschen einander verstehen können, müssen sie sich zunächst aufeinander abstimmen und eine gemeinsame Sprache finden. Wenn die beiden sich noch nicht kennen, werden sie sich hüten, zu viel voneinander abzuverlangen, vielmehr zunächst einmal über Kleinigkeiten reden. Über Dinge, zu denen jeder der beiden leicht einen Zugang findet, zum Beispiel das Wetter, Filme oder ein aktuelles Ereignis aus Politik oder Sport. Menschen, die viel zu schenken haben, die es lieben, sich auszudrücken, zu entwickeln und alle ihre schöpferischen Kräfte ins Leben zu übersetzen, werden schnell darauf drängen, diese erste Stufe hinter sich zu lassen. Denn es schmerzt sie im Grunde, nur zu kommentieren, was in der Welt vorgeht; jede bloß konsumistische Haltung gegenüber dem Leben ist ihnen zuwider. Sie können nur verstehen, was sie selbst tun, fühlen, erleben. Es fällt ihnen oft schwer, die Ironie zu verbergen, mit der sie über Dinge sprechen, die das Interesse anderer so lebhaft erregt. Leider beschäftigen sich die meisten Menschen damit, ihren Ernst auf Dinge zu konzentrieren, die sie selbst gar nicht beeinflussen können. Gleich dem Mond begnügen sie sich damit, empfangenes Licht zu reflektieren, anstatt selber zu leuchten.

Es sind dies keine besonderen Menschen, über die ich hier schreibe, nicht einmal sonderlich "tiefdenkende" Menschen, wie Nietzsche sie nennt, sondern vielmehr solche, die das Leben ernstnehmen und deshalb den Gedanken, ihre kurze Erdenzeit ungenutzt dahinstreichen zu lassen, nicht ertragen können. Sie inspirieren und schenken Kraft, wo immer sie auftauchen. Diese Inspiration zu erleben, ist etwas Wundervolles. Es wäre eine Grobmaschigkeit des Herzens, die Schönheit und Güte, die jene Inspiration erahnen lässt, als kurzweilige Spielerei abzutun, als Phantasterei, als etwas, das mit dem wahren Leben nichts zu tun hätte. Denn das wahre Leben wird genau das sein, was wir aus ihm machen. Dies ist keine verträumte Sonntagssicht. Wer das behauptet, mag sein Leben weiterhin als Sklave fristen und sich mit seinesgleichen verbünden, um jene für irrsinnig zu erklären, die an die Möglichkeit ungeteilten menschlichen Glücks glauben. Nichts fürchtet der Sklave so sehr wie die Erkenntnis, dass er niemals ein Sklave hätte sein müssen.

4 Kommentare:

  1. Obwohl es tief in der Nacht ist,und ich auch mal schlafen wollte und sollte...will ich endlich hier auch mal einen Kommentar hinterlassen.
    Deine Texte und Beiträge sind nun mal kein "Snack für zwischendurch". Sie regen zum Nachdenken an, die Gehirnzellen müssen rotieren, und man kehrt immer wieder (gern) hierher zurück.
    Denn sie bringen ein dazu, länger, als nur für einen Augenblick zu verweilen, sie wirken nach...regen an und sicher auch mal auf. Und ich hoffe, das Du Dich als tiefdenkender und ernsthafter Mensch nicht immer als Komödiant fühlen und geben musst. Oberflächlichlichkeit und Dummheit sind schon weit genug verbreitet. Und es tut weh, leider nicht bei denen, die es betrifft.
    Und so hoffe ich, dass Dein unruhiger, rastloser, kritischer Geist weiterhin hier so viele kluge und anregende Gedanken hinterlässt. Denn glaub mir, Du gehörst zu den Menschen, die andere inspirieren, Spuren hinterlassen, weil sie sich nicht einfach in ihr Schicksal ergeben, und weiter als nur bis zum eigenen Tellerrand schauen. Also hör nicht auf zu leuchten und verlier dabei auch nicht Deine Ironie... :-)

    AntwortenLöschen
  2. Wenn man solche Worte nach solch einer Nacht lesen darf, dann beginnt der Tag um einiges kraftvoller als die vorangegangene Nacht verlief....

    AntwortenLöschen
  3. Danke euch beiden! Eure Kommentare geben mir Kraft.

    AntwortenLöschen